Maike Rohkrähmer, Lehrerin für Englisch und Geschichte am FSG, berichtet von Ihren Erlebnissen während ihres zweiwöchigen Aufenthaltes an einer Grammar School in Skipton:
“Nach zwei Wochen in Yorkshire, die ich dort im Rahmen des Lehreraustausch-Programmes des Pädagogischen Austauschdienstes verbracht habe, gibt es so viel zu erzählen, dass ich eigentlich gar nicht recht weiß, wo ich anfangen soll – die Ermysted’s Grammar School in Skipton ist nämlich tatsächlich eine Mischung aus „Harry Potter“ und „Der Club der toten Dichter“!
Allein der Anblick des Schulgebäudes ist beeindruckend – die Gründung der Schule geht zurück bis vor das Jahr 1492, eine Tatsache auf die man hier sehr stolz ist – und die jetzt genutzten Gebäude stammen größtenteils noch aus dem 19. Jahrhundert. Die Schule ist umgeben von großzügigen Rasenflächen mit alter Baumbepflanzung, was noch zu ihrem ehrwürdigen Erscheinungsbild beiträgt.
Insgesamt 850 Jungen – jawohl: ausschließlich Jungen – besuchen die Schule zurzeit, und sie alle tragen die vorgeschriebene Schuluniform: schwarze Hose und Schuhe, blauer Blazer mit dem Emblem der Schule, weißes Hemd und Krawatte. Die verschiedenen Farben der Krawatten (dunkelblau mit entweder roten, grünen, blauen oder gelben Streifen) weisen auf die Zugehörigkeit des Trägers zu einem der vier Häuser innerhalb der Schule hin: Ermysted, Petyt, Toller und Hartley waren die vier Gründer der Schule (zu unterschiedlichen Zeiten). Zwischen den vier Häusern gibt es jedes Jahr einen Wettbewerb, am Ende des Jahres wird der „House Award“ verliehen, und jeder Schüler ist angehalten, seinen Teil zum Sieg seines Hauses beizutragen. Na, habe ich eingangs übertrieben, als ich Harry Potter erwähnte?
Als Lehrerin steche ich hier natürlich besonders heraus und werde von den Jungs vom ersten Tag an als Autoritätsperson wahrgenommen, der man besser aus dem Weg gehen sollte – eine Erfahrung, die für mich bei meiner Größe von nur 1,60 m (und dem damit verbundenen ständigen Untergehen in der Masse meiner deutschen Schüler) wirklich ausgesprochen angenehm ist.
Auch im sonstigen Schulalltag (der um 8:45 Uhr mit der „registration“, also der Anwesenheitskontrolle, beginnt und um 15:45 Uhr endet) erinnert mich vieles an die oben erwähnten Filme – Regeln und Disziplin sind hier sehr wichtig; das Treppenhaus mit seinem alten Geländer sieht aus wie das im „Club der toten Dichter“; und genau wie Quidditch wird auch Rugby bei jedem Wetter draußen auf dem Rasen gespielt. Gut, dass es ausreichend Duschen gibt – manchmal kann man die Jungs vor lauter Schlamm gar nicht mehr auseinanderhalten…
Wer jetzt jedoch denkt, diese Schule sei zu traditionell und nicht auf dem neuesten Stand, der irrt gewaltig – jeder Fachraum (der hier, wie in allen englischen Schulen, dem Lehrer und nicht der Klasse „gehört“ und entsprechend individuell und fachspezifisch gestaltet ist) ist mit einem interaktiven Whiteboard sowie Computern mit Internet-Zugang ausgestattet; auch die naturwissenschaftlichen Labore sind technisch hervorragend ausgerüstet, die Schulkantine ist erst vor wenigen Jahren neu gebaut worden, die Bücherei hat nicht nur beeindruckende Buchbestände, sondern auch eine Vielzahl von Computer-Arbeitsplätzen für die Schüler.
Und dann sind da natürlich noch die Schüler und Lehrer der Ermysted’s Grammar School. Von allen werde ich freundlich willkommen geheißen, alle sind interessiert an dem, was ich von Deutschland und unserem Schulsystem erzählen kann. Die Jungs wollen vornehmlich wissen, ob wir tatsächlich noch Samstags zur Schule gehen müssen und ob es stimmt, dass wir keine Schuluniformen haben (was sie mehrheitlich mit Unverständnis zur Kenntnis nehmen – wenn es nach den älteren Schülern ginge, würde die Oberstufe sogar im „business suit“ antreten!).
Die Kollegen zeigen sich an den derzeitigen Entwicklungen im Bahn-Tarifstreit interessiert, wir tauschen Unterrichtsmaterial und Erfahrungen aus, und als ich schließlich meinen Koffer packen und mich auf den Heimweg machen muss, habe ich einen ganzen Haufen Zettel mit e-mail- und sonstigen Kontaktdaten sowie Einladungen, wo ich bei meinem nächsten Besuch in Skipton übernachten kann, im Gepäck.
Und einen zweiten Besuch ist Yorkshire allemal wert – in meiner Freizeit habe ich zwar schon das Schloss von Skipton (das noch aus dem Mittelalter stammt und im englischen Bürgerkrieg eine wichtige Rolle gespielt hat) und die Kathedrale besichtigt, die Remembrance Day Parade besucht, den unzähligen Schafen in der Umgebung einen Besuch abgestattet, das traditionelle Feuer am 5. November („Bonfire Night“ im Gedenken an den Versuch von Guy Fawkes, im Jahr 1605 das englische Parlament mitsamt dem König in die Luft zu sprengen) miterlebt, die Nachbarstadt Leeds erkundet und mich durch die englischen Spezialitäten durchgefuttert – aber bis in die Yorkshire Dales habe ich es in der Kürze der Zeit leider nicht geschafft, da ist ein erneuter Besuch ein Muss!
Fazit: Schöner, interessanter, lehrreicher und herzlicher hätte meine Zeit hier gar nicht sein können – danke, Ermysted’s, see you again soon!”